Zwischen Teeküchen und Gastfreundschaft am Bosporus

21.10.2016 | Logistik, International

Aufblende – Istanbul, 7:15, 3. September 2015. Ich steig aus dem Flieger. Es ist warm. Sehr warm für die Uhrzeit. Endlich angekommen in Istanbul, der Stadt, in der ich die nächsten fünf Monate Studieren werde. Ich war ja schon 11 Mal vorher hier, im Land der Türken. Doch Studieren und Leben in dem fremden Land zwischen Europa und Asien „…ist schon nochmal was Anderes“ sagte man mir.
Schon der Transfer zur Uni gestaltet sich schwerer als gedacht. Die Busse zahlreich und die englisch-sprechenden Einheimischen rar gesät, mache ich mich auf den Weg zur Yeditepe Üniversitesi, unserer Partnerhochschule in der Türkei. Bezahlen kann man die Busse in Istanbul nur, wenn man sich im Zentrum der Stadt vorab eine Transportationcard besorgt hat. Dieser bürokratische Kampf wurde allerdings erst zwei Wochen später gefochten. Als ich also versuche dem nur türkisch sprechenden Busfahrer klarzumachen, dass ich eine solche Karte nicht besitze und gerne mit der Landeswährung bezahlen würde, schreitet eine Türkin jenseits der 60 ein. Sie zahlt mit ihrer Karte für meine Busfahrt (ca. 70 €-Cent), lächelt mir nett zu und sagt: „Karsilama – Welcome“. Gastfreundlichkeit, die wird den Türken ja nachgesagt. Das allerdings einem Wildfremden eine Busfahrt gezahlt wird, dass müsste man in Deutschland womöglich lange suchen. Ich bedanke mich in allen Sprachen, die mir geläufig sind (nein, Türkisch ist noch nicht dabei) und starte meine erste Rundfahrt durch die faszinierende Fast-Hauptstadt am Bosporus, gelegen auf zwei Kontinenten. Endlich angekommen!

Das frühere Konstantinopel liegt ganz im Westen des Landes. Istanbul ist 250 Mal größer als Schweinfurt! 15 Mio. Einwohner verschiedenster Ursprünge, Kulturen und Religionen leben hier zusammen in der größten Stadt der Türkei. Der kulturelle Mittelpunkt des Landes beherbergt über 3000 Moscheen, 29 Universitäten und unzählbar viele Teeläden. Die Stadt steht im stetigen Konflikt zwischen Modernität einhergehend mit dem westlichen Lebensstil und der kulturreichen Tradition des osmanischen Reichs. Ob faszinierende orientalische Bazare oder entspannte Fährfahrten; man findet immer Etwas zu tun. Die Stadt ist ein Magnet für Touristen. Jährlich kommen 24 Mio. Menschen zu Besuch. Diese besichtigen zum Beispiel die bekannteste Moschee Hagia Sophia im europäischen Teil der Stadt. Das Altstadtviertel rund um den Galata-Turm vermittelt einen Einblick der architektonischen Schönheiten des frühosmanischen Reiches. Der Stadtteil Kadiköy auf der asiatischen Seite mit seinen Einkaufsmeilen und dem Fährhafen ist ein typischer Anlaufpunkt für Einheimische und Touristen. Von dort aus kann man auch die Prinzeninseln per Boot erreichen. Die verschlafene Inselgruppe, auf der nur Pferde als Fortbewegungsmittel dienen, liegt direkt vor der Stadt und bietet Zuflucht vor dem lauten und belebten Istanbul. Das Nachtleben spielt sich auf der europäischen Seite ab. Der Taksim-Platz, welcher Schauplatz der großen Demonstrationen war, wird nachts zum Partyviertel mit vielen Rooftopbars und westlichen Clubs und Diskotheken. Aber auch verschiedenste Kunst- und Geschichtsmuseen, Parkanlagen oder der große Bazar locken die Besucher und machen die Stadt der sieben Hügel zu einem faszinierenden Ort.

Das kulinarische „Street food“-Angebot der Metropole ist schier unendlich. An jeder Ecke findet man türkische, aber auch westliche Spezialitäten, vom kleinen Snack bis hin zum Gänge-Menü im Sternerestaurant. Aber auch fremde Kulinaritäten findet man in der Weltstadt zuhauf und das meist für kleines Geld. Zum Beispiel die traditionelle Ofenkartoffel Kumpir, der Innereien-Kebab Kokorec oder das Nationalgetränk Ayran. Simit, den klassischen Sesam-Ring gibt es für 1 Lira (0,30 €-Cent) an jedem Straßenstand und wird zu jeder Tages- und Nachtzeit verzehrt. Man wird häufig gefragt, wie der Döner in der Türkei so ist… „Anders“ ist die passendste Antwort. Der Döner, wie wir ihn kennen ist eine deutsche Erfindung. Die Türken lieben ihren Kebab ohne Soße und ohne Weißkraut aber dafür mit viel Zwiebel und Chili. Die türkische Esskultur ist abwechslungsreich, meist gesund und immer verbunden mit dem gemeinschaftlichen Essen unter Familie und Freunden.

Apropos Familie und Freunde… Die Türken sind unglaublich gastfreundlich und herzlich. Da kann es schon einmal passieren, dass man als fremder Westlicher, kaum ein Wort Türkisch sprechend, am Feiertag zum Essen mit der Familie eingeladen wird. Mitten auf der Straße! Von Fremden! Kostenlos! Einfach so!

Die Herzlichkeit hat man auch in der Yeditepe Universität von Anfang an gespürt. Im Osten Istanbuls am Waldrand gelegen bietet die Hochschule sehr gute Bedingungen für das Studium. Mit knapp 20.000 Studenten und über 340 Lehrkörper ist die Yeditepe eine der größten Universitäten der Stadt. Das Wort „Yeditepe“ bedeutet „7. Hügel“, also der letzte Hügel der Stadt. Relativ hoch in besagtem Berg gebaut hat man eine wunderschöne Aussicht über die Metropole. Die Einrichtung ist „nur“ eine Busstunde vom asiatischen Zentrum Kadiköy entfernt. Ein Katzensprung für die Weltstadt. Das Studieren in der Türkei oder zumindest in der Privatuniversität gestaltet sich ganz anders als in Deutschland. Der riesige Campus erinnert an die Amerikanischen Filme. Unzählige Gebäude, große Grünflächen und jede Menge Freizeitangebote mitten auf dem Gelände. Von Tennisplätzen und Fußballfeldern, In- wie Outdoor Swimmingpool, 5 Kantinen und und und… Mit über 60 verschiedenen Klubs die zur Uni gehören gibt es ausreichend Möglichkeiten den Tag nur auf dem Campus zu verbringen. Außerdem gibt es mehrere Wohnheime direkt vor Ort, von denen das größte Gebäude 2000 Betten beherbergt. Die Vorlesungen werden größtenteils in englischer Sprache angeboten, was sich in der Realität allerdings etwas anders gestaltet. Doch die Professoren bemühen sich für die „Incomings“ einen geordneten und verständlichen Lehrinhalt zu gewährleisten. Alles in Allem fühlt man sich in der „Üniversitesi“ sehr sicher, bestens aufgehoben und unter 19.700 türkischen Mitstudenten integriert.

Das Studieren in einem fremden Land ist „anders“ sagte man mir... Wohl wahr! Spannend, herausfordernd und wunderschön. So habe ich es zumindest erlebt. Istanbul strahlt eine Faszination aus, die sich nur schwer beschreiben lässt. Mein Erasmus-Auslandssemester war eine Zeit, an die ich mich immer mit einem Grinsen im Gesicht zurückerinnern werde.

geschrieben von Marco Link